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Interview mit Ulf vom 18.08.03

Danke an Marlen Lützner für die deutsche Übersetzung des Interviews!

Ich war immer neugierig und voller Energie. Ich wusste, ich werde aus meinem Leben mal etwas machen. Ich wusste nicht was, aber ich wusste, es würde irgend etwas sein.

Mein Vater war ein Mathematiklehrer. Demzufolge brachte er mir alles über X und Y und diese Funktionen bei, bevor ich überhaupt in die Schule ging. Ich konnte es kaum erwarten in die Schule zu kommen, weil ich noch mehr lernen wollte. Aber das war eine große Enttäuschung für mich. Ich wusste bereits alles, was sie mir beibrachten, Lesen, Schreiben, Mathematik, einfach alles. Nach nur kurzer Zeit langweilte mich das Ganze und ich wusste mehr als die Lehrer. Der Lehrer in der ersten Klasse wusste nichts über X und Y und Funktionen, und ich ein sechsjähriges Kind wusste es. Demzufolge war mein Verhältnis zu den Lehrern schon immer sehr schwierig.

Als ich neun Jahre alt war, zogen wir um nach Dänemark. Mein Vater begann dort ein Tennisteam zu trainieren. Die Dänen denken, dass die Schweden etwas großspurig sind und nicht wirklich etwas wissen? Nun, vielleicht haben sie ja Recht (hihi). Aber ich hatte es sehr schwer, ich war das einzige schwedische Kind in meiner Schule. Als ich lernte Dänisch zu sprechen, wurde es etwas besser.

Ich interessierte mich schon immer für Tennis. Mein Vater wurde 1979 für einen Zeitungsartikel interviewt, er hatte das Tennisteam für irgendeinen Cup trainiert und ich glaube, sie haben gewonnen. Ich spielte auch Tennis, dadurch wurde auch ich interviewt.

Bildung war immer sehr wichtig in meiner Familie. Ebenso Erfolg und eine große Kariere. Das Problem ist nur, dass man seine Eltern nicht so oft sieht, wenn sie so ehrgeizig sind. Meine Mutter ist eine Kinderpsychologin und mein Vater ein Computer-Ingenieur.. und ein Mathelehrer.. und vieles andere mehr. Sie arbeiteten oft von 8.00 bis 21.00 Uhr, als ich noch in den Kindergarten ging. Ich kannte meine Erzieher dort wahrscheinlich besser als meine eigenen Eltern. Meine Mutter arbeitete oft auch am Wochenende, sie hatte viele Fälle, die vor Gericht gingen wie Inzestfälle und so.. Es war eine schwere Zeit für sie, weil sich meine Mutter für jeden sorgte außer um sich selbst. Es war deprimierend, keinen Kontakt mit den eigenen Eltern zu haben. Ich hatte mich immer sehr darüber geärgert, aber ich verstehe sie inzwischen besser.

Meine Eltern haben mir viel beigebracht. Sie gaben mir Stärke und Wärme, die ich jetzt fühle. Ich erinnere mich manchmal an etwas, das sie mir erzählten, als ich sechs Jahre alt war und ich verstand nicht, was es damals bedeutete, aber ich verstehe es jetzt. Wenn man jung ist, denkt man, dass seine Eltern überhaupt nichts wissen, also ist man so: "Ich werde Euch nicht zuhören".. Aber die Leute haben sich nicht sehr verändert in der Geschichte der Menschheit. Die Gesellschaft wird immer schneller, aber die Menschen sind immer noch dieselben, demzufolge wissen Eltern viel über das Leben.

Die Gesellschaft ist heutzutage sehr kommerziell. Ich denke, es ist viel schwieriger heute ein Kind zu sein als zu meiner Zeit, weil heutzutage von Kindern so viel verlangt wird. Es gibt Idole wie Britney Spears. Einen Tag ist sie ein unschuldiges Mädchen, am nächsten Tag eine Frau, die über Sex spricht. Kinder verstehen diesen Wechsel nicht. Das gleiche gilt für all die Boy-Bands and Girl-Bands. Sie wollen viele Platten verkaufen, also sagen sie Dinge, die sie nicht so meinen. Es ist nicht ihre wahre Meinung, es ist etwas, was auch immer mehr Platten verkaufen lässt. Es ist sehr plastisch. Aber Kinder denken, dass es wahr ist und dies verändert ihre Werte. Ich denke, dass wir die Auswirkungen davon sehen, wenn die nächste Generation aufwächst.

Musik muss zu Leuten sprechen, muss sie berühren. Es sollte nicht zu abgehoben sein. Ace of Base ist nicht die flachste Band der Welt. Wir spielen kommerzielle Musik, aber wir schreiben unsere eigenen Songs.. Natürlich sieht man die raue Realität auf CNN oder wo auch immer.... Aber wir wollen den Leuten einen Grund zum Lächeln geben, sie glücklich machen.

An einem bestimmten Punkt bemerkten wir, dass wir riesigen Erfolg hatten. Es gab einen Artikel in Expressen über den kältesten Ort der Welt. Das war irgendwo in Sibirien. Dort war es -50 °C. -50 °C! In Göteborg sind es maximal -22 und das ist schon teuflisch kaltes Wetter. -50 ist einfach furchtbar. Aber eigentlich leben sie dort unten ein ziemlich normales Leben. Die Schulen werden geschlossen, wenn die Temperaturen -40 C erreichen, aber abgesehen davon war es gar nicht so anders... also, als die Crew dort ankam, wurde sie mit -40 C konfrontiert. Sie waren enttäuscht, weil es zu warm war, aber sie wussten auch, dass die Kameras nicht funktionieren, wenn es noch kälter wird. Sie gingen in eine örtliche Bar um sich aufzuwärmen, und sie spielten unsere Musik. In der einzigen Bar am kältesten Ort von Sibirien, wirklich "middle of nowhere" (er sagt diesen Teil in Englisch).

Interviewer: Ace of Base?

Ja, phantastisch, oder? Ein gegensätzliches Beispiel ist, dass wir einen Anruf vom Weißen Haus bekommen haben [vor einer Woche], sie fragten, ob wir für Clinton's Kampagne spielen könnten, wenn er für das zweite Jahr kandidiert. Das funktionierte aus politischen Gründen nicht, aber es wäre großartig gewesen, das zu machen.

Das größte, was man sein kann, ist die Nummer eins in den USA zu sein. Wir waren auf Nummer 2, Nummer 3, dann wieder Nummer 2... mit All That She Wants, aber wir haben nie die Nummer eins geschafft. Aber dann, nachdem es schon eine Weile in den Charts war, wurde The Sign plötzlich zur Nummer eins. Wir dachten es war einfach... eine weitere "Feder an unseren Hüten". Wir konnten das gar nicht richtig verarbeiten, es war einfach zu groß für uns. Wir fuhren gerade in einem Auto nach Newcastle. Jonas, Jenny und Malin schliefen und ich weckte sie mit den Neuigkeiten auf und wir öffneten eine Büchse Bier und tranken etwas davon.. danach schliefen wir weiter. Es war keine Party, wir feierten das nie... Wir hatten keine Zeit für eine Party, wir dachten einfach nur an das nächste Interview.

Manche mögen denken, wir wurden... etwas verrückt. Vielleicht stimmt das ja, jemand der hart arbeitet, wird etwas seltsam. Wir müssen fordernd sein, für einige Leute mögen das Kleinigkeiten sein, aber für mich ist das etwas großes. Wenn ich eine Luxussuite oder ein Erste-Klasse-Ticket verlange, ist es leicht zu denken, ich sei arrogant. Aber ich hasse es, wenn etwas nicht so funktioniert, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Zum Beispiel brauche ich ein Bett in meinem Ankleidezimmer. Wenn ich im Flugzeug auf einem 14-Stunden Flug nicht geschlafen habe, muss ich erst eine Stunde schlafen, bevor ich ein Interview geben kann. Wenn ich versuche ein Interview zu geben, wenn ich müde bin, bin ich eher zu verärgern. Und ich reise 320 Tage im Jahr. Ich lebe nur in Hotels. Die Leute denken, es ist Luxus in einer Suite zu leben, aber es sind nur 40 bis 100 m², manchmal auch nur 20.... Das ist nicht soviel Platz. Der Komfort irgendeines Hauses, so klein es auch immer ist, ist immer wertvoller als das wurzellose Leben in einem Hotel. Und ein Hotel ist mein Zuhause, ich wohne dort. In einem Flugzeug habe ich nur den winzigen Platz von 4 m². Es ist mein einziges Leben, demzufolge möchte ich etwas Platz für mich. Außerdem sind Hotelzimmer unpersönlich. Es ist die negative Seite dieses Lebens, die es schwer macht sich zu Hause zu fühlen. Einfach zu Hause sein und nicht irgendwohin gehen zu müssen... So ging es mir dreimal in den letzten zehn Jahren, für ein paar Monate mal nicht irgendwohin gehen zu müssen.

Limousinen, erste Klasse,... das ist kein Luxus, das ist mein Job.. Es scheint arrogant zu klingen, aber ich möchte meinen Job auch nur gut machen.. Dann muss man auch gewisse Bedingungen stellen. Wir brauchen das richtige Licht im Fotostudio usw., weil wir diesen Job richtig machen wollen.

Als ich 25 Jahre alt war, lebte ich in einem gewissen Punkt wie ein Rockstar. Das war großartig, aber so möchte ich nicht mehr leben. Ein Rockstar zu sein, ist der Traum von vielen Leuten, und für mich wurde dieser Traum wahr. Zu meiner Party anlässlich meines 25. Geburtstags in New York lud ich 750 Gäste ein. Unter ihnen waren amerikanische Berühmtheiten und so, ich kannte vielleicht ein Prozent von den Leuten, aber sie waren Berühmtheiten. Ich bin froh diese Party gegeben zu haben, aber heute würde ich so etwas nicht mehr veranstalten.

Zumindest hatten wir die Chance zu leben wie Rockstars. Es gibt eine Menge Stars, die nie wie Stars leben konnten. Wir haben keine Hotelzimmer zerstört, wir haben uns benommen... und wir hatten eine großartige Zeit!

Interviewer: Bereust Du es, dass Du eine öffentliche Version Deiner selbst geworden bist?

Ulf (denkt eine Weile nach): Nein. Man bereut im Leben immer etwas, aber man muss das Gute im Verhältnis zum Schlechten sehen... Ich denke, das Gute überwog immer. Es war natürlich sehr schwierig... ich wurde bedroht, meine Familie bekam Morddrohungen... Jenny wurde von einem verrückten Fan angegriffen und es gab auch noch andere solche Dinge. Dinge, die nicht in den Medien erzählt wurden. Manchmal überlege ich, ob es das alles wert ist. Nichts desto trotz, wir wollten einfach nur die Leute glücklich machen, sie unterhalten. Die schlechten Seiten (des Stardaseins) waren für uns eine Überraschung. Wir haben bemerkt, dass es zu weit gehen kann.

Ein Star zu sein, ist eine große Verantwortung. Man muss darüber nachdenken, was man sagt, so dass man niemanden beleidigt. Wenn man etwas sagt, wenn man verärgert ist, kann das komplett verkehrt sein. Es kann auch Missverständnisse geben. Manchmal nehmen Journalisten die Dinge, die man sagt, völlig aus dem Zusammenhang und machen aus Nichts einen Skandal. Man wird misstrauisch: "Wie werde ich zitiert? Will ich, dass die ganze Welt weiß, wie ich über bestimmte Dinge denke?" Wenn ich etwas zu einem Freund sage, jemand von dem ich weiß, dass es bis zur Presse durchdringt... Meine Mutter ist die einzige Person, zu der ich offen sprechen kann. Ich meine, ich habe Freunde, und ich kann ihnen auch trauen, sie bedeuten mir sehr viel... Aber man wird misstrauisch in diesem Job, man ist ständig besorgt.

Ich sollte jetzt erwachsener sein als damals als ich 9 Jahre alt war... Manchmal möchte ich trotzdem noch in dieser kleinen naiven Welt leben, in der das größte Problem ist, nicht soviel Süßigkeiten zu bekommen wie man will. Man bekommt soviel Verantwortung, wenn man erwachsen wird und als Star ist es noch mehr... Manchmal möchte ich gern der 9-jährige sein, der in Dänemark Tennis spielt. Das war eine lustige Zeit in meinem Leben.